Ethik im Design gewinnt eine immer größere Bedeutung. Von den sozialen Medien über E-Commerce-Plattformen bis hin zu künstlicher Intelligenz beeinflusst das Design digitaler Produkte und Dienstleistungen unser tägliches Leben in vielerlei Hinsicht. Doch während wir die Vorteile dieser Technologien genießen, müssen wir auch die Verantwortung erkennen, die damit einhergeht. Designethik – das bewusste Streben nach ethisch vertretbaren Designentscheidungen – wird unverzichtbar für Designer*innen und Unternehmen in der digitalen Welt.

Die Bedeutung von Designethik

Designethik bezieht sich auf den Prozess, bei dem Designer*innen ethische Grundsätze in den gesamten Entwicklungszyklus eines Produkts integrieren. Es geht darum, sicherzustellen, dass digitale Produkte nicht nur funktional und ästhetisch ansprechend sind, sondern auch die Bedürfnisse und Werte der Nutzenden respektieren.

Ein ethisches Design stellt sicher, dass Produkte nicht zur Ausbeutung von Nutzer*innen oder zur Verbreitung schädlicher Inhalte beitragen. Stattdessen zielt es darauf ab, Transparenz, Datenschutz und Inklusivität zu fördern, um eine positive Nutzungserfahrung zu gewährleisten. Darüber hinaus berücksichtigt es die potenziellen Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Trotz der wachsenden Bedeutung von Designethik stehen Designer*innen und Unternehmen vor einer Reihe von Herausforderungen. Sie stehen unter dem Druck, wettbewerbsfähige Produkte schnell auf den Markt zu bringen, was zu Kompromissen bei ethischen Standards führen kann. Außerdem sind sie mit komplexen moralischen Dilemmas konfrontiert, wie der Balance zwischen Profitmaximierung und dem Schutz der Privatsphäre der Nutzenden.

Eine Möglichkeit, diesen Herausforderungen zu begegnen, besteht darin, Ethik als integralen Bestandteil des Designprozesses zu betrachten. Unternehmen sollten Designethik von Anfang an in ihre Unternehmenskultur integrieren und sicherstellen, dass alle Mitarbeiter*innen geschult sind, ethische Entscheidungen zu treffen. Darüber hinaus können sie mit Ethikexpert*innen zusammenarbeiten und Ethikrichtlinien entwickeln.

Es ist auch wichtig, dass Designer*innen ein Bewusstsein für die potenziellen ethischen Implikationen ihrer Arbeit entwickeln und sich regelmäßig mit ihnen auseinandersetzen. Durch den Einsatz von Designmethoden wie Ethnographie und Partizipation können sie die Bedürfnisse und Perspektiven der Nutzenden besser verstehen und ethische Herausforderungen frühzeitig erkennen. Um einen ersten Leitfaden für ethisches Design zu bieten, haben wir hier einige Grundprinzipien gesammelt:

1. Usability:

In der heutigen Zeit sollte Nutzbarkeit selbstverständlich sein. Ein Produkt, das schwer zu verwenden ist, wird als Designfehler betrachtet. Das Design sollte den Nutzenden dabei helfen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen und einfach zu bedienen sein. Jakob Nielsen von der Nielsen Norman Group, eine der führenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Benutzerfreundlichkeit, hat dazu fünf Qualitätskomponenten der Nutzbarkeit festgelegt:

  • Erlernbarkeit – Wie einfach ist es für Erstanwender, das Produkt zu nutzen?
  • Effizienz -Wie schnell können Nutzer*innen Aufgaben erledigen?
  • Einprägsamkeit – Wie gut erinnern sich wiederkehrende Nutzer*innen an das Produkt?
  • Fehler – Wie viele Fehler machen Nutzende und wie schwerwiegend sind diese Fehler?
  • Zufriedenheit -Wie angenehm ist es, das Design zu nutzen?

Designer*innen haben außerdem die moralische Verpflichtung, Produkte zu entwickeln, die intuitiv und sicher sind. So sollten beispielsweise kryptische Fehlermeldungen, zu lange Texte und störende Pop Ups vermieden werden. Auch fehlendes Feedback eines Systems kann die Usability erheblich verschlechtern. Auf der anderen Seite ein Beispiel für gelungene Usability, welches das Nutzendenerlebnis verbessert: Der britische Online-Versandhandel ASOS überzeugt mit gut platzierten Schaltflächen und lebendigen Bildern auf der Landingpage.

Das große Produktangebot kann auf Kund*innen schnell überwältigend wirken, daher wurde das User Interface so gestaltet, dass die Informationen in Kategorien eingeteilt und mit weiteren Filtermöglichkeiten versehen wurden.

2. Barrierefreiheit:

Ein ethisch verantwortungsbewusstes Design strebt danach, Produkte und Dienstleistungen für alle Nutzenden zugänglich zu machen, unabhängig von ihren individuellen Fähigkeiten oder Einschränkungen. Digitale Barrierefreiheit umfasst die Gewährleistung einer klaren und verständlichen Kommunikation, die Vermeidung von technischen Hürden und die Implementierung von Funktionen, die die Interaktion erleichtern. Ein barrierefreies Design trägt nicht nur dazu bei, die Inklusion zu fördern, sondern ist auch ein Ausdruck von Respekt und Wertschätzung für die Vielfalt der Nutzer*innen. Es ist daher unerlässlich, dass Designer*innen bei der Entwicklung digitaler Produkte und Dienstleistungen die Grundsätze der Barrierefreiheit in ihre Designentscheidungen integrieren, um sicherzustellen, dass alle Menschen gleichermaßen von der digitalen Welt profitieren können.

3. Privatsphäre:

Von sozialen Medien über Online-Shopping bis hin zur Nutzung von Suchmaschinen hinterlassen wir digitale Spuren, die unser Verhalten, unsere Vorlieben und unsere Identität offenbaren können. Dabei stoßen wir oft auf die Herausforderung, das richtige Gleichgewicht zwischen dem Komfort digitaler Dienstleistungen und dem Schutz unserer Daten zu finden. Ein ethisches Design respektiert die Privatsphäre der Nutzenden und stellt sicher, dass ihre Daten angemessen geschützt werden. Verschlüsselungstechnologien und Datenschutzgesetze wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in der EU sind wichtige Instrumente, um die digitale Privatsphäre zu schützen. Unternehmen und Organisationen sind daher zunehmend gefordert, ethische Praktiken im Umgang mit persönlichen Daten zu implementieren und das Vertrauen ihrer Nutzenden in Bezug auf den Schutz ihrer Privatsphäre nachhaltig zu gewinnen. Es gibt bereits zahlreiche Beispiele für Unternehmen, die dieses Prinzip der Designethik erfolgreich umsetzen. Zum Beispiel hat Apple einen starken Fokus auf Datenschutz und Sicherheit in seinen Produkten, was zu einem Vertrauensvorschuss bei den Nutzenden führt. Die Einführung von Funktionen wie App-Tracking-Transparenz und Privacy Labels im App Store zeigt das Engagement des Unternehmens für den Schutz der Privatsphäre der Nutzenden.

4. Transparenz und Überzeugung:

Designer*innen und Unternehmen sollten offen und ehrlich ihre Designentscheidungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Nutzenden kommunizieren. Es geht darum, den Nutzer*innen zu erklären, wie ihre Daten gesammelt, verwendet und geschützt werden. Transparenz schafft Vertrauen und ermöglicht es den Nutzenden, informierte Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen ihres Handelns zu verstehen.

Google hat beispielsweise Richtlinien entwickelt, um sicherzustellen, dass seine künstlichen Intelligenzsysteme fair, transparent und verantwortungsbewusst eingesetzt werden. Dies beinhaltet die Entwicklung von Tools und Methoden zur Erkennung und Vermeidung von Bias in KI-Algorithmen.

Überzeugte Designer*innen sind bereit, die zusätzliche Arbeit und mögliche Kosten auf sich zu nehmen, um sicherzustellen, dass ihre Produkte die höchsten Standards an Ethik und Integrität erfüllen. Sie verstehen, dass ethisches Design nicht nur eine Verpflichtung ist, sondern auch eine Chance, sich von der Konkurrenz abzuheben und das Vertrauen und die Loyalität der Nutzenden zu gewinnen.

5. Nutzereinbindung:

Durch die direkte Beteiligung der Nutzenden können Designer*innen ein tieferes Verständnis für deren Perspektiven und Anliegen entwickeln.  Dadurch können sie sicherstellen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen tatsächlich den Bedürfnissen der Nutzer*innen entsprechen. Das Einbeziehen der Nutzenden kann verschiedene Formen annehmen: Umfragen, Interviews, Fokusgruppen, Usability-Tests und Co-Creation-Workshops sind mögliche partizipative Methoden. Diese ermöglichen es Designer*innen, Feedback zu erhalten, Ideen zu validieren und Designentscheidungen auf der Grundlage von realen Nutzungserfahrungen zu treffen.

6. Fokus:

Unabhängig von der Art des entworfenen Tools oder Services bildet dieser lediglich einen sehr kleinen Ausschnitt der gesamten Welt des Nutzenden. Es ist wichtig, dass diese Produkte dann präsent sind, wenn die Nutzer*innen sie benötigen, und weg sind, wenn sie sie nicht benötigen. Dadurch haben Nutzende eine Art Pause von der Flut aller möglichen Funktionen und können sich auf das Wesentliche fokussieren.

Die Autoplay-Funktionen von Plattformen wie Netflix und YouTube illustrieren dieses Dilemma anschaulich. Durch das nahtlose Abspielen von Videos hintereinander ermutigen sie Nutzer*innen unbewusst, mehr Zeit mit dem Anschauen von Inhalten zu verbringen.

Facebook wurde mit einem ausgeklügelten System entworfen, das darauf abzielt, die Nutzenden möglichst lange auf der Plattform zu halten. Das Unternehmen nutzt eine “Feedback-Schleife der sozialen Bestätigung”, um das Verhalten der Nutzenden zu beeinflussen. Diese Strategie verstärkt das Verlangen nach sozialer Anerkennung, indem sie den Nutzer*innen ständig Likes und Kommentare präsentiert. Das wiederum kann zu einem obsessiven Verhalten führen, wie dem zwanghaften Posten neuer Inhalte oder dem ständigen Überprüfen auf neue Benachrichtigungen.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, ist es wichtig, den Nutzenden die Möglichkeit zu geben, bewusste Entscheidungen zu treffen und ihre Nutzungsmuster zu reflektieren. Dafür kann man Funktionen zur Selbstkontrolle implementieren. Beispielsweise die Möglichkeit, Autoplay-Funktionen zu deaktivieren oder Benachrichtigungen zu steuern.

7. Nachhaltigkeit:

Angesichts der globalen Herausforderungen des Klimawandels ist es unerlässlich, dass Designer*innen die Auswirkungen ihrer Arbeit auf die Umwelt, Ressourcen und das Klima berücksichtigen. Ein tolles Beispiel für einen ethischen Designtrend ist das Circular Design. Diese Designphilosophie zielt darauf ab, Ressourcen kontinuierlich zu nutzen und die Entstehung von Abfall zu minimieren.

Im Gegensatz zu Produkten und Dienstleistungen mit einem linearen Lebenszyklus, der mit der Entsorgung endet, werden im Circular Design Produkte entwickelt, die kontinuierlich wiederverwendet werden können: Entweder in ihrer ursprünglichen Form oder durch Recycling und Wiederverwertung. Dies trägt dazu bei, die Ressourceneffizienz zu verbessern und den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Viele Unternehmen haben sich bereits dieser Designphilosophie verschrieben. Darunter das Unternehmen 57st. design, das modulare Möbel herstellt, AMP Robotics, das effiziente Recycling-Roboter entwickelt, und PlasticRoad, welches aus recyceltem Kunststoff modulare Straßenbausteine produziert.

Ein Beispiel für die Nachhaltigkeit aus der digitalen Welt ist das Unternehmen ZIEHL-ABEGG: Durch digitale Fehlersuche, sparen ihre Kund*innen Kosten, Zeit und CO2. Mit der Plattform „ZAbluegalaxy“, entwickelt in Zusammenarbeit mit der Telekom, kann der Betrieb und Zustand ihrer Ventilatoren umweltschonend von den Kund*innen selbst überwacht werden, ohne einen Techniker vor Ort zu benötigen. Früher erforderliche Anfahrten für Problemlösungen entfallen nun, da die Kund*innen ihre Anlagen über einen Webbrowser beobachten können.

Fazit

Designethik ist ein wesentlicher Bestandteil der Gestaltung einer positiven Zukunft in der digitalen Welt. Durch die Integration ethischer Grundsätze in den Designprozess können wir sicherstellen, dass digitale Produkte und Dienstleistungen die Würde und Autonomie der Nutzenden respektieren. Es ist an der Zeit, dass Designer*innen und Unternehmen ihre Verantwortung erkennen und sich für ein verantwortungsbewusstes Design entscheiden, das die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Nur so können wir eine digitale Welt schaffen, die für alle von Nutzen ist.

Zur Autorin

Jennifer Berger ist Auszubildende im Bereich Mediengestaltung bei rocket-media. In dieser Rolle erstellt und gestaltet sie zielgruppengerechte Layouts für digitale und analoge Medien sowie multimediale Beiträge für Netzwerke und Social-Media-Kanäle. Sie interessiert sich vor allem für User Experience und Nutzerfreundlichkeit.

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