In der Welt der Unternehmensfinanzierung gibt es selten einen ‚One-Size-Fits-All‘-Ansatz. Vor allem wachstumsorientierte Unternehmen stehen vor kritischen Herausforderungen. Sie brauchen Kapital, um Visionen zu verwirklichen. Möchten aber im Gegensatz dazu weder die Kontrolle über ihr Unternehmen aufgeben noch ihre Bilanz durch zu hohe Schulden belasten. Hier kommt das Hybrid Growth Capital, kurz HGC ins Spiel. Auf den Punkt gebracht ist das ein innovativer Mittelweg zwischen Eigen- und Fremdkapital, der die besten Eigenschaften beider Welten vereint. Wir möchten die Genese, das Prinzip und die Implikationen etwas näher beleuchten.

Im Dezember 2024 sorgte das Münchner Foodtech-Startup Foodji für Aufsehen, als es seine Series-A-Finanzierungsrunde auf 27 Millionen Euro erweiterte. Bemerkenswert war dabei der Einsatz von Hybrid Growth Capital, einer Finanzierungsform, die es dem Unternehmen ermöglichte, zusätzliches Kapital zu sichern, ohne dabei Eigenkapital abzugeben oder eine Verwässerung der bestehenden Anteile in Kauf nehmen zu müssen.

Hybrid Growth Capital ist eine Finanzierungsform, die Elemente von Fremdkapital und Eigenkapital kombiniert. Unternehmen erhalten Zugang zu dringend benötigtem Kapital, ohne dabei signifikante Anteile an Investoren abtreten zu müssen. Stattdessen wird eine flexible Struktur geschaffen, die oft eine Mischung aus regelmäßigen Zinszahlungen, einer variablen Rückzahlungsstruktur und equity-ähnlichen Komponenten wie Gewinnbeteiligungen oder Warrants beinhaltet. Diese Flexibilität macht HGC besonders attraktiv für Unternehmen, die sich in einer Phase intensiven Wachstums befinden, aber noch nicht bereit sind, sich vollständig den Bedingungen klassischer Eigenkapitalinvestoren oder traditioneller Kredite zu unterwerfen.

Wie unterscheidet sich Hybrid Growth von VC?

HGC wird häufig mit Venture Debt oder gar grundsätzlich VC verwechselt. Doch die Unterschiede sind signifikant. Venture Debt ist eine reine Fremdkapitalfinanzierung, die in der Regel an ein bestehendes Eigenkapitalinvestment geknüpft ist. Banken oder spezialisierte Kreditgeber bieten Unternehmen Kredite an, die zu festen Zinssätzen und mit klaren Rückzahlungsplänen ausgestattet sind. Die Sicherheit für den Kreditgeber ergibt sich oft aus der bestehenden Investorenbasis und der zu erwartenden Wachstumsdynamik des Unternehmens.

Hybrid Growth Capital erlaubt hingegen eine größere Flexibilität in Bezug auf Rückzahlung und Zinsstruktur. Häufig ist es mit zusätzlichen Renditeinstrumenten wie Warrants – das sind Optionen auf Anteile des Unternehmens – oder Gewinnbeteiligungen gekoppelt. Dadurch können Investoren von der langfristigen Wertsteigerung des Unternehmens profitieren, während das Unternehmen selbst eine geringere Belastung durch feste Rückzahlungen erfährt.

Hybrid Growth Capital

Hybrid Growth Capital – die Finanzierung

Für wen eignet sich Hybrid Growth Capital?

HGC ist vor allem für Unternehmen interessant, die sich in einer starken Wachstumsphase befinden, aber ihre Bilanz flexibel halten wollen. Dazu gehören oft:

  • Startups in der Wachstumsphase: Unternehmen, die ihre Marktreife bewiesen haben und nun Mittel benötigen, um Marktanteile zu gewinnen oder international zu expandieren.
  • Technologieunternehmen: Firmen, die Kapital für Forschung und Entwicklung benötigen, aber noch keine positiven Cashflows generieren.
  • Mittelständische Unternehmen: Familiengeführte Unternehmen, die Kapital aufnehmen möchten, ohne Anteile abzugeben oder die Kontrolle zu gefährden.

Vorteile und Risiken von Hybrid Growth Capital

Ein großer Vorteil von HGC ist seine Flexibilität. Unternehmen können Kapital aufnehmen, ohne die starren Rückzahlungspläne von Fremdkapital hinnehmen zu müssen. Zudem bleibt die Eigenkapitalquote oft höher als bei einer reinen Eigenkapitalfinanzierung. Für Investoren bietet HGC attraktive Renditechancen, die über den reinen Zins hinausgehen, da sie vom Wachstum des Unternehmens profitieren können. Auf Risiko-Seite ist zu erwähnen, dass für Unternehmen die hybride Struktur komplizierter sein kann als ein klassischer Kredit. Zudem erfordert die potenzielle Verwässerung durch equity-ähnliche Komponenten sorgfältige Planung. Investoren tragen ihrerseits ein höheres Risiko als bei reinen Fremdkapitalfinanzierungen, da der Erfolg der Investition stark an das Wachstum des Unternehmens gebunden ist.

HGC und die Rolle der Banken

Für konservative Banken bietet HGC eine Chance, sich in der Unternehmensfinanzierung neu zu positionieren. In einer Zeit, in der innovative Fintechs zunehmend Marktanteile gewinnen, können traditionelle Banken durch die Einführung flexiblerer Finanzierungsmodelle wieder wettbewerbsfähig werden. Hybrid Growth Capital erlaubt es Banken, sich stärker auf wachstumsorientierte Kunden zu konzentrieren und ihnen maßgeschneiderte Lösungen anzubieten. Ein praktisches Beispiel könnte die Entwicklung eines HGC-Produkts sein, das speziell auf mittelständische Unternehmen zugeschnitten ist. Solche Angebote könnten den Banken helfen, ihren Bestand an Geschäftskunden zu sichern und gleichzeitig ihre Rentabilität zu steigern, indem sie höhere Margen auf hybrides Kapital erzielen.

Growth Capital - Hybrid Finanzierungen

Flexible Kapitalbeschaffung mit Growth Capital

Fintechs als Treiber von Innovationen und HGC als Brücke zu Banken

Auf der anderen Seite bieten Fintechs bereits Plattformen an, die Hybrid Growth Capital effizient strukturieren und skalieren können. Mit ihrem technologischen Vorsprung und ihrer Fähigkeit, Daten in Echtzeit zu analysieren, können sie den gesamten Finanzierungsprozess vereinfachen – von der Bewertung des Unternehmensrisikos bis hin zur Strukturierung der Konditionen. Ein wachsender Trend ist die Kombination von HGC mit Crowdfunding-Modellen, bei denen mehrere Investoren sich an hybriden Finanzierungsrunden beteiligen. Dies könnte auch für Banken interessant sein, die nach neuen Wegen suchen, um ihre Kundenbasis zu diversifizieren und innovative Finanzprodukte anzubieten.

Hybrid Growth Capital hat das Potenzial, die Lücke zwischen traditionellen Banken und Fintechs zu schließen. Banken bringen Vertrauen und Stabilität mit, während Fintechs mit Geschwindigkeit und Innovation punkten. Gemeinsam könnten sie ein Ökosystem schaffen, das Unternehmen jeder Größe Zugang zu maßgeschneiderten Finanzierungsmodellen ermöglicht.

Ein mögliches Szenario: Banken arbeiten mit Fintech-Plattformen zusammen, um HGC-Produkte anzubieten, die sowohl die regulatorischen Anforderungen der Banken als auch die technologische Effizienz der Fintechs berücksichtigen. Solche Partnerschaften könnten dazu beitragen, den Markt für hybride Finanzierungen zu erweitern und neue Zielgruppen zu erschließen.

Hybrid Growth Capital – zentrale Finanzierungsform der Zukunft?

Fest steht, dass Hybrid Growth Capital mehr ist als nur ein Nischenprodukt. HGC gilt als Symbol für die zunehmende Flexibilisierung und Individualisierung der Unternehmensfinanzierung. Für Unternehmen bietet es die Möglichkeit, Wachstum zu finanzieren, ohne sich den Einschränkungen traditioneller Modelle zu unterwerfen. Banken und Fintechs können von diesem Trend profitieren, indem sie HGC als strategisches Instrument nutzen, um Märkte zu erobern und sich im Wettbewerb zu behaupten. In zunehmend flexibleren und sehr innovativen Zeiten wird Hybrid Growth Capital ein relevanter Schlüssel sein, die Bedürfnisse von Unternehmen und Investoren gleichermaßen zu befriedigen. Die Frage ist daher weniger, ob diese Finanzierungsform ihren Platz findet. Sondern vielmehr wie schnell Banken und Fintechs sie als festen Bestandteil ihrer Angebote etablieren können.